Praktika beugen Ausbildungsabbrüchen vor
Ausbildungsabbrüche. Jeder vierte Ausbildungsvertrag wird vorzeitig gelöst. Dies ist das Ergebnis einer Erhebung, die das Statistische Bundesamt in Wiesbaden jüngst ausgewertet hat. Viele Jugendliche haben falsche Erwartungen. In den Beruf reinschnuppern, ist hier die Devise.
Solche Zahlen beschäftigen auch Dario Thomas, allerdings kann der Leiter der Ausbildungsberatung bei der IHK Bonn/Rhein-Sieg beruhigen: Eine vorzeitige Vertragslösung bedeute noch keinen Totalabbruch. Viele sogenannte Abbrecher setzen ihre Ausbildung in einem anderen Beruf oder in einem anderen Unternehmen fort. Derzeit liegt die Zahl der Vertragslösungen in der Region Bonn weit unter dem Bundesdurchschnitt: Im Kammerbezirk gab es zum Stichtag 31. Dezember vergangenen Jahres 8.018 Berufsausbildungsverhältnisse und 763 Auflösungen, davon erfolgten 294 in der Probezeit. Die Ursache dieser Differenz sieht der Experte darin, dass selbst Familienunternehmen und mittelständische Betriebe so gut aufgestellt sind, dass sie sich intensiv um den Nachwuchs kümmern können. „Trotzdem dürfen wir das Thema nicht vernachlässigen“, betont Thomas.
Droht dann der Abbruch, geht es nicht ums „Jammern, Klagen oder gar Verurteilen“, sagt Dario Thomas. „Ziel muss immer sein, den Abbruch zu verhindern und dem Betroffenen eine neue Lehrstelle zu vermitteln bzw. dem Betrieb einen neuen Azubi.“ Gleichwohl ist die Kündigung eines Lehr- oder Ausbildungsverhältnisses ein Thema, das die Ausbildungsberater sehr ernst nehmen. So hat die IHK etwa einen „Azubi-Notruf“ eingerichtet: Dort haben Fachleute für alle 175 aktuellen Lehrberufe jederzeit ein offenes Ohr, sie bieten Hilfe an bei Krisen und Problemen aller Art. Weitere Unterstützung verspricht auch die „VerA“ – Initiative (Verhinderung von Ausbildungsabbrüchen), die seit drei Jahren besteht. Hier kooperiert die IHK mit dem Bonner „Senior-Experten-Service“: Ehrenamtliche Ausbildungsbegleiter mit viel Berufserfahrung engagieren sich dafür, die Motivation der Auszubildenden und deren soziale Kompetenzen zu stärken. Und immer lautet die Devise: „Hauptsache Ausbildung!“, betont Dario Thomas.
Zudem hat die IHK Bonn/Rhein-Sieg als erste IHK einen Azubi-Kalender veröffentlicht, der den jungen Leuten in allen drei Jahren der Ausbildung Wissenswertes an die Hand gibt. Jüngst sind alle 3.149 Neu-Azubis in ihrem Zuständigkeitsbereich damit ausgestattet worden. Im Azubi-Kalender sind ein Ausbildungs-Knigge zu finden oder Tipps zur Probezeit, zur Krankmeldung oder zum Miteinander der unterschiedlichen Regionen und interkulturellen Vielfalt.
„Hätten die Beteiligten die vielen Hilfsangebote angenommen, so hätten viele dieser Abbrüche verhindert werden können“, glaubt Dario Thomas. Er plädiert dafür, dass vor der Ausbildung ein Praktikum im späteren Betrieb Pflicht wird. „Denn oftmals haben die jungen Leute falsche Erwartungen an den Beruf. Den Traumberuf gibt es nämlich nicht.“ Auch wenn der Schulabgänger noch so gut informiert ist, mit Bravour die Auswahlverfahren und zudem das Bewerbungsgespräch gemeistert hat, so bedeutet dies noch lange nicht, dass er am Ende mit der eigentlichen Arbeit klarkommt.
Die Idealvorstellung des Ausbildungsberaters: „Ab dem 14. Lebensjahr sollte jeder Schüler die Oster- und Herbstferien für ein Praktikum nutzen“ – gerade mit Blick auf die prognostizierte Schülerschwemme, die bis ins Jahr 2019 anhält und mit dem Abitur-Doppeljahrgang einen ersten Höhepunkt erreicht hat. „Mehr Schüler bedeuten mehr potenzielle Auszubildende und damit für diese eine erhöhte Gefahr von Ausbildungsabbrüchen“, erklärt Thomas. Er rät den Jugendlichen daher: „Wer ein Betriebspraktikum sicher hat, muss im Betrieb klare Wünsche äußern, was er sich anschauen möchte.“ Die Berufswahl sollte jeden Jugendlichen mehr beschäftigen als nur drei Monate am Ende der Schulzeit.
(Jens Höhner)
Information aus der Pressemitteilung „position“ – Das IHK-Magazin für Berufsausbildung, 2. Quartal 2013 I Heft 2
Eingetragen am: 08.05.2013
‹
1 ...
4445464748495051525354 ...
71
›
